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Wie Nordrhein-Westfalen sein Personal­wirtschafts­system barrierefrei und fit für die Zukunft macht

Entwicklung des barrierefreien Personal­wirtschafts­systems my.NRW im SAP ERP HCM auf Basis SAP Fiori

Unternehmen / Branche
IT.NRW / Öffentlicher Dienst 

Leistungsspektrum
IT.NRW, der Landesbetrieb 

Information und Technik Nordrhein-Westfalen ist der zentrale IT-Dienstleister für die öffentliche Verwaltung sowie der Statistik-Dienstleister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Der Landesbetrieb mit Hauptsitz in Düsseldorf beschäftigt rund 3.000 Mitarbeitende. 

Website
https://www.it.nrw 

Karriereseite
https://www.it.nrw/de/karriere 

Der Wettbewerb um die besten Köpfe betrifft auch den öffentlichen Dienst. Auch wenn man es nicht immer erwartet, ist das Land Nordrhein-Westfalen ein attraktiver Arbeitgeber, der locker mit der freien Wirtschaft mithalten kann: Neben Sicherheit erwartet Mitarbeitende hier ein durchaus innovatives, spannendes Arbeitsumfeld mit sinnstiftenden Aufgaben, in dem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie genauso wie die Inklusion einen sehr hohen Stellenwert haben. Aber bei der Attraktivität als Arbeitgeber zählen auch Themen, die oft unscheinbar in den Hintergrund treten und als Selbstverständlichkeit behandelt werden. So auch effiziente und nutzerfreundliche Personalprozesse. Deshalb und um die Aufwände in der Personalverwaltung insgesamt zu reduzieren, entschied sich das Land Nordrhein-Westfalen für ein neues Personalwirtschaftssystem.

Der Landesbetrieb IT.NRW ist statistisches Landesamt und zentraler IT-Dienstleister für das Bundesland Nordrhein-Westfalen. IT.NRW betreibt und pflegt nahezu alle SAP-Anwendungen des Landes. Die beiden größten Systeme waren bisher das Abrechnungssystem und Finance & Controlling. Neu dazu kommt aktuell das on-premise basierte SAP ERP HCM Personalverwaltungssystem „my.NRW", das seit Ende 2019 in der Entwicklung befindet und bereits seit 2021 im Rahmen erster prototypischer Einsätze genutzt wird. Das System beinhaltet als eine der zentralen Komponenten ein Fiori Launchpad, dass als Beschäftigtenportal fungiert. Besonders herausfordernde Elemente, sowie übergreifende Funktionalitäten werden gemeinsam vom SAP Competence Center von IT.NRW, der Agentur movable.design und dem HR/IT-Beratungsunternehmen p78 entwickelt und umgesetzt. In diesem kollaborativen und iterativen Prozess verantwortete movable.design die UX-Strategie und das UX-Design, während p78 die technische Umsetzung und Entwicklungsarbeit in SAP ERP HCM übernahm. 

Der Fokus bei der Umsetzung der Mitarbeiter und Manager Self-Services (ESS/MSS) liegt auf einem schnellen, intuitiven und vor allem mobilen und barrierefreien Zugriff. Besonders letzteres stellte sich als anspruchsvolle, aber lösbare Aufgabe heraus. 

Barrierefreiheit
&
Selfservice
700K
User
550
Behörden

Aus drei Systemen mach eines. Aber richtig.

Das Land Nordrhein-Westfahlen nutzte bisher drei unterschiedliche Personalverwaltungssysteme für die allgemeine Verwaltung, die Polizei und die Finanzverwaltung. Diese drei Vorgängersysteme sollten durch ein neues, zentrales Personalverwaltungssystem (SAP ERP HCM) abgelöst werden: my.NRW.

Das System soll dabei alles abdecken, was man von einer HCM-Lösung erwarten kann – von der digitalen Personalakte über Personal- und Zeitsachbearbeitung bis hin zur Reisekostenabrechnung. 
Die Umstellung verfolgt mehrere Ziele: Zum einen sollten Personalsysteme vereinheitlicht und Personalprozesse harmonisiert werden, um Aufwände einzusparen. Zum anderen sollten damit auch die IT und die Prozesse des Landes zukunftsfähig gemacht werden. Und darüber hinaus steigern gut funktionierende Prozesse und Self-Service-Lösungen im Personalwesen auch die Mitarbeiterzufriedenheit und helfen dem Land Nordrhein-Westfalen als Arbeitgeber im Wettbewerb um die besten Köpfe.

Zusätzlich zu der Nutzung der verlässlichen und bewährten Software SAP ERP, soll ein barrierefreies Beschäftigtenportal auf Basis von SAP Fiori für alle Mitarbeitenden und alle PensionärInnen des Landes einen modernen Zugriffspunkt bieten. Letztere sollen das Portal nutzen können, um zum Beispiel Auszahlungsnachweise zu erhalten oder die Adresse ändern zu können.
Da Self-Services und die mobile Nutzung von zentraler Bedeutung sind, fiel die Wahl auf SAP Fiori, da dessen Apps auf die schnelle und intuitive Nutzung im Self-Service optimiert sind.
Für den Rollout war der Zugang über die Browser der Dienst-Hardware geplant, die spätere Nutzung über die persönlichen Devices (Bring-your-own-device) der Nutzenden soll zukünftig ermöglicht werden.

Ebenso war die Anforderung der Barrierefreiheit (Accessibility) vor dem Hintergrund der eigenen Arbeitgeberattraktivität im Öffentlichen Dienst nicht weg zu denken.
Zu Beginn des Projektes wurde daher sehr schnell klar, dass sich die Anforderungen nicht im SAP Standard abbilden lassen, sondern eigenen Lösungen und Entwicklungen notwendig sind. Somit fiel die Entscheidung, sich externe Kompetenz für die technische Umsetzung ins Projekt zu holen.

 

„Uns wurde schnell klar, dass wir uns im Fiori Launchpad weit vom SAP Standard entfernen müssen und dass für diese anspruchsvolle Aufgabe Expertise von außen erforderlich sein wird. Über unsere Rahmenverträge konnten wir auf p78 als kompetenten Partner auf diesem Gebiet zurückgreifen.”
Kai Marten
Leiter Produktentwicklung Projekt my.NRW

Barrierefreiheit: Wo ein Wille ist, da ist ein Weg.

„Bei der Gestaltung von barrierefreien Prozessen gilt, mehrere Wege zum Ziel anbieten.”
Ralph Tonn
movable.design, verantwortlich für das UX-Design im Projekt

Menschen mit Einschränkungen im Alltag und Beruf nicht auszuschließen, sondern tatsächliche Inklusion möglich zu machen, ist einer der Ansprüche der Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen. Entsprechend hohe Anforderungen an die Barrierefreiheit werden an my.NRW gestellt. Das bedeutet nicht nur die Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG 2.1) in der Konformitätsstufe AA zu erfüllen, sondern darüber hinaus auch die eigenen, teils strengeren Kriterien des Landes Nordrhein-Westfalen. Insgesamt waren damit rund 50 Kriterien zu berücksichtigen.

Essenziell für die Barrierefreiheit ist, dass die Anwendungen für Screenreader, wie sie zum Beispiel Menschen mit Sehbehinderung nutzen, fehlerfrei lesbar sind. In der technischen Umsetzung zeigte sich, dass der SAP Standard nicht auf Barrierefreiheit ausgelegt ist und an seine technischen Grenzen stößt. Beispielsweise ist der Zeitnachweis in Standardapplikation nicht barrierefrei, da dessen Basis immer eine PDF-Datei ist. Details wie solche erforderten immer wieder die Entscheidung, ob man einen Kompromiss innerhalb der SAP-Standards finden kann oder eigene Erweiterungen entwickelt, für deren Wartung man selbst verantwortlich ist.

Eine weitere Herausforderung ist das Testing: Die Designs und ihre technische Umsetzung müssen nicht nur in unterschiedlichen Browsern, auf unterschiedlichsten Devices und mit unterschiedlichen Screenreadern einwandfrei funktionieren.

Sondern das Testing erforderte ebenfalls spezialisierte Fachkenntnisse und sollte idealerweise neben dem Design- und Entwicklungsteam auch Personen mit sensorischen oder motorischen Einschränkungen einbeziehen, um sicherzustellen, dass die Anwendung für alle Nutzer auch tatsächlich zugänglich ist.
Deshalb wurde eine Trennung zwischen Design und Testing – und damit ein interner Prüfprozess für Barrierefreiheit in den Anwendungen etabliert. Zusätzlich erhielt my.NRW in den Anwendungen Möglichkeiten für ein einfaches Nutzerfeedback, um weitere Verbesserungen schnell und zielgerichtet umsetzen zu können.

Mann sitzt vor einem Laptop

Anspruchsvolle Umsetzung. 

Das Projekt begann mit einem Vorprojekt im SAP Competence Center: Einem technischen Fiori-Launchpad-Prototyp, um zu eruieren, wie weit der SAP Standard reicht. Die zahlreichen Änderungs- und Verbesserungswünsche aus den zahlreichen Ministerien zeigten, dass es essenziell ist, eigene Wege zu gehen. Zusätzlich zu Funktions- und Barrierefreiheitsanforderungen soll das neue Portal nicht das Standard Look-and-Feel einer SAP-Anwendung haben, sondern im Auftreten dem eigens für my.NRW entwickelten Corporate Design entsprechen. Folglich holte sich IT.NRW movable.design und p78 als Partner ins Haus.

Die Vorgehensweise bestand darin, die Anwendungen aus Mitarbeitenden-Sicht neu zu denken. Das betraf zum einen das Design, die Konsistenz der Prozesse und Nutzeroberflächen und zum Anderen das Informationsmanagement, was bedeutet welche Information Nutzende zu welchem Zeitpunkt benötigen. 

Darauf folgte die technische Umsetzung durch p78 und das gemeinsame aufwändige Testing, da hier die besonderen Anforderungen der Barrierefreiheit beachtet und detailliert geprüft werden mussten. Dieser Ablauf wurde mehrere Male wiederholt und so entwickelte sich ein iterativer, agiler Prozess mit einer engen Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten.

Eine zentrale Herausforderung in der Umsetzung war die Tatsache, dass der SAP Standard nicht auf alle Anforderungen der Barrierefreiheit Lösungen hat. Deshalb waren teilweise tiefgreifende Änderungen, zum Beispiel in der Common Library, nötig, um technische Wege zu finden, die Barrierefreiheit zu ermöglichen. Im Rahmen dieses Prozesses entstanden deshalb auch Custom Libraries, darunter einen Icon Library mit global einsetzbaren Icons. Zusätzlich wurde der Fiori-Entwicklungsprozess kontinuierlich optimiert, um besser mit Screenreadern zu interagieren, eigene Controller wurden gebaut und vieles mehr.

Aufgeklapptes Tablet an einem Besprechungstisch

my.NRW - Mein Portal. Alles digital.

Das für Mitarbeitende, Pensionär:innen und Nutzende offensichtlichste Ergebnis ist das Portal my.NRW, über das die meisten Personalangelegenheiten im Self-Service erledigt werden können. Auch wenn dessen Basis von SAP stammt, sieht das Portal, wie angestrebt, erfrischend eigenständig aus.
Insgesamt wurden dafür etwa 15 Fiori-Apps neu entwickelt oder optimiert und zeigen klar strukturiert die erfassten Zeiten, Abwesenheiten, den Urlaub, den Anwesenheitsstatus, das Stundensaldo und vieles mehr. Auch (Mitarbeitenden -)Anträge können über das Portal gestellt werden.

Für eine optimale User-Experience gibt es zahlreiche sinnvolle Ergänzungen, die über den SAP-Standard hinausgehen: Beispielsweise werden nun Zeitwirtschaftsinformationen in einer individuellen Übersichts-Applikation zusammen gezogen, Meldungen und Nachrichten haben einen Ungelesen-/Gelesen-Status, technische Meldungen und Fehlermeldungen enthalten auch immer eine Hilfestellung zur Problemlösung und Prozesse sind einfach aus einer Übersicht initiierbar.
 

Und um die Nutzung des Portals my.NRW noch ein bisschen angenehmer zu machen, begrüßt das Portal die Nutzenden mit einem individualisierten Startscreen mit den schönsten, spannendsten und manchmal überraschendsten Ansichten des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, die der Tourismusverband NRW  beigesteuert hat.

Ein Blick zurück und in die Zukunft.

 Aus Entwicklersicht waren die barrierefreien Apps ein anspruchsvolles Projekt, bei dem man teilweise sehr tief in SAP Fiori einsteigen musste, um Lösungen zu finden. Sehr erfreulich ist aber, dass die Umsetzung dieses wichtigen Themas möglich ist und dass die Apps sehr gut von den Nutzenden angenommen werden. 
Das neue Portal my.NRW ist mittlerweile in vier Behörden (Stand: 07/2024) im Einsatz. Als nächste Schritt stehen  Erweiterungen um weitere Funktionen und Prozesse an. Im Jahr 2024 soll mindestens eine weitere Behörden auf das neue System umgestellt werden, bis der Rollout in der vollen Breite im Jahr 2025 beginnt. Bis zum Jahr 2028 sollen dann alle rund 550 Behörden in Nordrhein-Westfalen umgestellt sein. 

„Die Apps setzen mit ihrem Reifegrad im Punkto Barrierefreiheit neue Maßstäbe in der Landesverwaltung. Wir bekommen praktisch nur positives Feedback.”
Kai Marten
Leiter Produktentwicklung Projekt my.NRW
„Ich denke, dieses Projekt hat auch gezeigt, dass man auf den ersten Blick unlösbare Herausforderungen mit vertretbarem Aufwand meistern kann, wenn man mit Pragmatismus und Offenheit für neue Wege an die Sache herangeht.”
Kai Marten
Director IT, Leiter Produktentwicklung Projekt my.NRW
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