HR/IT Talk Episode #59

Fähigkeiten statt Jobs: Die Transformation zur Skill-basierten Organisation

In der heutigen Arbeitswelt ist es entscheidender denn je, agil und flexibel auf sich wandelnde Anforderungen zu reagieren. Dafür werden die richtigen Skills im Unternehmen benötigt, an welchen es in der Praxis oftmals mangelt. Deshalb ist es umso entscheidender, die vorhandenen Fähigkeiten gezielt und möglichst flexibel zu nutzen. Damit dies gelingt, sollten moderne Organisationen bei der Gestaltung ihrer Arbeitsstrukturen eine Skill-basierte Denkweise in den Mittelpunkt stellen. 

Welche Herausforderungen hiermit verbunden sind, diskutieren in dieser Folge von HR/IT Talk p78 Geschäftsführer Michael Scheffler und sein Gast, Stephan Koenen, HR Executive Advisor bei der SAP.

Ergänzende Informationen zu dieser Episode:

 

Das Interview zum Nachlesen

Michael Scheffler:

Servus Stephan, willkommen zurück bei HR/IT Talk. Vor etwa einem Jahr haben wir uns über den SAP Talent Intelligence Hub unterhalten, ein wirklich spannendes Thema. Heute möchten wir daran anknüpfen und über skillbasierte Organisationen sprechen. Zunächst aber würde ich dich bitten, dich unseren Hörerinnen und Hörern noch einmal kurz vorzustellen.

Stephan Koenen:

Servus Michael, vielen Dank, dass ich wieder bei deinem HIT Talk von p78 dabei sein darf. Ich freue mich sehr, heute mit dir über das Thema skillbasierte Organisationen zu sprechen.

Ursprünglich komme ich aus dem HR Business Consulting und habe unter anderem bei PVC Consulting, IBM Business Services und Accenture gearbeitet. Seit mittlerweile 17 Jahren bin ich bei SAP tätig, davon 12 Jahre im internen SAP HR, wo ich mich insbesondere mit strategischen HR-Themen beschäftigt habe. Vor fünf Jahren bin ich dann zu SAP SuccessFactors gewechselt, wo ich nun Unternehmen bei der digitalen HR-Transformation begleite. In meiner Rolle bin ich vor allem Ansprechpartner für den HR-Fachbereich und vertrete SAP SuccessFactors auch als Ambassador in unserer Region. Genau in dieser Funktion bin ich heute hier im Podcast dabei, wo wir uns auch ursprünglich kennengelernt haben.

 

Die Notwendigkeit einer skillbasierten Organisation: Einblicke in moderne HR-Praktiken

 

Michael Scheffler:

Vielen Dank für deine Vorstellung. Dann können wir auch gleich inhaltlich loslegen. Stefan, man liest immer häufiger von der skillbasierten Organisation. In einem gleichnamigen Artikel von Deloitte, den ich auch gerne in den Show Notes verlinken werde, wird dieses neue Organisationsmodell ausführlich beschrieben. Es wird argumentiert, dass traditionelle Jobmodelle die organisatorische Agilität, das Wachstum, die Innovation und die Vielfalt behindern können. Stattdessen sollten die Fähigkeiten der Mitarbeitenden flexibel auf verschiedene Aufgaben und Projekte angewendet werden, was nicht nur zu einer besseren Nutzung der individuellen Fähigkeiten, sondern auch zu einer gerechteren Arbeitsumgebung führen kann. Wie ist deine Sichtweise dazu? Sind skillbasierte Organisationen und das damit verbundene Skillmanagement notwendig?

Stephan Koenen:

Zu Beginn möchte ich auf unsere HR-Meta-Trends für 2024 verweisen, die von unserem SAP SuccessFactors Research and Insights Team erarbeitet wurden. Dieses Team analysiert jedes Jahr die aktuellen HR-Trends, und in diesem Jahr steht das Thema "Skills" an zweiter Stelle unter dem Titel "Skills Become the Center of HR Practices". Dieser Trend steht in engem Zusammenhang mit dem ersten Trend, "AI Upends the World of Work as We Know It", was verdeutlicht, dass Skills weiterhin von entscheidender Bedeutung sind. Letztes Jahr war das Thema "Winning the Race for Skills" sogar auf Platz eins, gefolgt von "Mobilizing the Workforce of the Future". Die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf das Workforce Management sind erheblich, und es besteht ein klarer Bedarf an neuen Kompetenzen und Skills, um Qualifikationslücken zu schließen. Da sich die Arbeitswelt in Zukunft weiter verändern wird, müssen Unternehmen verstehen, welche Jobs und Fähigkeiten zukünftig benötigt werden.

 

Kompetenzen versus Skills: Differenzierung und Relevanz in der Unternehmenspraxis

 

Stephan Koenen:

Bevor wir jedoch tiefer in die Diskussion einsteigen, sollten wir uns zunächst darüber verständigen, was eine Kompetenz im Vergleich zu einem Skill ist. In jedem Unternehmen wird dies unterschiedlich definiert. Manche sprechen ausschließlich von Kompetenzen, meinen damit aber auch Skills. Bei SAP SuccessFactors haben wir eine klare Unterscheidung getroffen: Eine Kompetenz, die auch als Professional Skill oder Soft Skill bezeichnet wird, bezieht sich auf Verhaltensweisen, Einstellungen und Eignungen, die durch Handeln und Leistung zum Ausdruck kommen. Beispiele dafür sind die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen, effektiv zu kommunizieren, ein gutes Geschäftsverständnis zu haben oder über emotionale Intelligenz zu verfügen.

Ein Skill hingegen, den wir auch als Fertigkeit oder Hard Skill bezeichnen, ist das Fachwissen in einem bestimmten Wissensgebiet, das nachgewiesen, gemessen und überprüft werden kann. Beispiele hierfür sind Programmierkenntnisse in C++ oder Python, Expertise in Data Migration und Cloud Operations oder Fähigkeiten im Account Planning.

Zurück zu Deloitte: Deloitte definiert eine skillbasierte Organisation als ein Organisationsmodell, das sich auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Einzelnen konzentriert und nicht auf traditionelle Stellenrollen. Jedes Unternehmen ist jedoch einzigartig und muss für sich selbst entscheiden, wie Skills in den eigenen HR-Praktiken integriert werden. Wichtige Faktoren, die dabei berücksichtigt werden müssen, sind die Branche des Unternehmens und die Zielgruppen der Mitarbeitenden, für die verschiedene Skill-Praktiken angewendet werden sollen.

Das SAP Research and Insights Team unterscheidet grundsätzlich vier Ansätze im Umgang mit Skills. Der erste Ansatz, "Skills Implied", basiert darauf, dass Organisationen davon ausgehen, dass die Fähigkeiten der Mitarbeitenden aus ihrer Ausbildung und früheren Jobtiteln abgeleitet werden können. Die Arbeit wird weiterhin vollständig um Jobtitel organisiert und auch Vergütungsentscheidungen basieren auf Jobtitel und Niveau. Dieser Ansatz eignet sich beispielsweise für Berufe wie Anwälte, Wirtschaftsprüfer oder Piloten, die spezifische Fertigkeiten erfordern.

Der zweite Ansatz, "Skills Included", sieht vor, dass die Arbeit ebenfalls um Stellen organisiert wird, jedoch spielen technische Fähigkeiten und Fertigkeiten dabei eine weniger zentrale Rolle. Kompetenzmanagement ist hierbei wichtig und Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten basieren auf statischen Schlüsselqualifikationen für aktuelle oder zukünftige Rollen.

Der dritte Ansatz, "Skills Led", organisiert die Arbeit um Stellen, die mit einer Vielzahl von Fähigkeiten verbunden sind, einschließlich technischer und beruflicher Fähigkeiten. Einstellungsentscheidungen basieren dabei auf der Bewertung einer breiten Palette von Fähigkeiten und Vergütungsentscheidungen beruhen auf den Fähigkeiten der Mitarbeitenden. Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten werden auf Basis dieser Fähigkeiten gefördert. Dieser Ansatz ist besonders interessant für Bereiche wie Marketing, Betrieb und Kundendienst.

Der vierte Ansatz, "Skills-Based", der im Zentrum der Diskussion um skillbasierte Organisationen steht, geht noch einen Schritt weiter. Hier wird die Arbeit vollständig um Fähigkeiten und Fertigkeiten herum organisiert. Einstellungsentscheidungen beruhen auf Kompetenz- und Skillbewertungen sowie den nachgewiesenen Fertigkeiten der Kandidaten. Lernen und Entwicklung, einschließlich Upskilling und Reskilling, basieren speziell auf den zukünftigen Kompetenzanforderungen der Organisation. Es ist entscheidend, dass Unternehmen die für ihre Branche relevanten Skills und Kompetenzen identifizieren und diese in ihren HR-Praktiken verankern.

 
Ein Zielbild für skillbasierte Organisationen: Rahmenbedingungen und Umsetzungsstrategien

 

Michael Scheffler:

Vielen Dank für diese ausführliche Erklärung. Das Thema ist wirklich vielschichtig. Könntest du uns ein mögliches Zielbild für eine skillbasierte Organisation skizzieren? Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, um eine solche Organisation erfolgreich zu implementieren?

Stephan Koenen:

Das Zielbild einer skillbasierten Organisation leitet sich letztendlich von den Anforderungen des Unternehmens ab. Unternehmen müssen sich die Frage stellen, in welcher Branche sie tätig sind und für welche Mitarbeitergruppen sie welchen Skillansatz benötigen. Darüber hinaus ist es entscheidend, ob die technologischen Rahmenbedingungen vorhanden sind, um eine solche Transformation zu unterstützen. Für die Zukunft braucht es eine neue Generation von HR-Systemen.

Traditionell hatten wir Human Resource Management Systeme, die sich primär auf die Verwaltung von Mitarbeiterdaten, Gehaltsabrechnungen und Zeitmanagement konzentrierten. Die darauffolgende Phase war das Human Capital Management, das den Fokus auf integriertes Talentmanagement und Lernen legte. Heute jedoch müssen wir zu einem Ansatz übergehen, der die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt und alle HR-Prozesse und den gesamten Mitarbeiterlebenszyklus auf Basis von Skills neu gestaltet. Ein Human Experience Management System sollte Transparenz über Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen bieten und den Mitarbeitenden klare Orientierung darüber geben, welche Entwicklungsschritte notwendig sind, um ihre Zukunftssicherheit zu gewährleisten.

Dabei ist Change Management ebenfalls ein wesentlicher Aspekt. Es reicht nicht aus, nur ein neues System einzuführen; die Mitarbeitenden müssen verstehen, warum diese Veränderungen notwendig sind und wie sie sich innerhalb der neuen Struktur weiterentwickeln sollen.

 
Vorteile und Nutzen eines skillbasierten Ansatzes für verschiedene Akteure im Unternehmen

 

Michael Scheffler:

Vielen Dank für diese umfassenden Erklärungen. Lass uns nun über die Vorteile dieses Ansatzes sprechen. Welche Vorteile ergeben sich für die Mitarbeitenden, ihre Führungskräfte, die HR-Abteilung und die Organisation insgesamt?

Stepan Koenen:

Ich beginne direkt mit dem Thema Organisation. Wie bereits erwähnt, brauchen Unternehmen in der Zukunft die Fähigkeit, sich schneller an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Das bedeutet, dass es am Ende des Tages darum geht, eine höhere Organisationsagilität zu erreichen. Für mich als Organisation geht es darum, die richtigen Leute in die passenden Rollen zu bringen. Das Thema "Strategic Workforce Planning" spielt hierbei eine wesentliche Rolle, da es mir ermöglicht zu wissen, welche Mitarbeitenden mit welchen Fähigkeiten und Kompetenzen ich in Zukunft wann und wo benötige.

Auf der anderen Seite stehen die Führungskräfte oder Executives. Diese können durch skillbasierte Praktiken schneller und besser Talententscheidungen treffen und haben zudem einen größeren Zugang zu Talentpools. Das bedeutet, dass sie bei der Besetzung einer Rolle volle Transparenz über die Talente in ihrer Organisation haben, einschließlich der vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dies erleichtert zum Beispiel auch das Nachfolgemanagement.

Dann gibt es natürlich die Mitarbeitenden selbst. Insbesondere die Generation Z kommt mit anderen Erwartungen an den Arbeitsmarkt. Diese Generation möchte sich weiterentwickeln und nicht 30 Jahre lang im gleichen Job bleiben. Daher ist es wichtig, dass Skill-Praktiken dies umsetzen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden faire Vergleichsmöglichkeiten und transparente Talententscheidungen erleben. Sie haben die Chance, ihre Fähigkeiten und Ambitionen zu zeigen und haben eine fundierte Basis für Gespräche mit ihren Vorgesetzten über ihre Weiterentwicklung.

Auch die Personalabteilung, also HR, profitiert erheblich. HR ist in der Lage, bessere Leistungsbeurteilungsprozesse durchzuführen und Talentpools basierend auf den vorhandenen Skills aufzubauen. Zudem hat HR volle Transparenz über die Top-Talente im Unternehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die verkürzte Zeit bis zur Besetzung einer Position, also "faster hiring". Das bedeutet, dass HR effizienter wird, weil es schneller Entscheidungen über Kandidaten treffen kann, die die richtigen Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen, oder auch im Onboarding-Prozess, wodurch neue Mitarbeitende schneller produktiv werden. Dies unterstützt den gesamten HR-Prozess.

 
Herausforderungen und Veränderungen für eine erfolgreiche Transformation zu einer skillbasierten Organisation

 

Michael Scheffler:

Ich möchte hier auch mal eine kritische Frage stellen: Skillmanagement ist ja kein neues Thema. Warum hat es deiner Meinung nach in der Vergangenheit nicht funktioniert? Ich kenne zumindest kein Unternehmen, das dies wirklich praxistauglich und nachhaltig implementiert hat.

Meiner Meinung nach liegt es vermutlich an den traditionellen Methoden, wie Skills verwaltet wurden, sowie an starren Taxonomien, die angesichts der schnellen Veränderungen in der Arbeitswelt nicht mehr ausreichen. Aber was denkst du, woran hat es in der Vergangenheit gescheitert?

Stephan Koenen:

Skills waren schon immer ein Thema. Bereits vor 20 Jahren gab es Diskussionen in Unternehmen darüber, Skillkataloge einzuführen und transparent über die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Mitarbeitenden zu sein. Allerdings hat dieses Konzept in der Vergangenheit nicht skaliert. Zum einen sind Unternehmen gescheitert, ein konsistentes Skill-Framework aufzubauen, und zum anderen haben Mitarbeitende nicht den Mehrwert erkannt, warum sie ihre Skills und Kompetenzen pflegen sollten. Themen wie "Drive your own Career" oder "Drive your own Performance" waren einfach noch nicht wirklich präsent, und Mitarbeitende sahen sich eher in ihrer aktuellen Rolle. Aus diesem Grund war das Thema in der Vergangenheit oft zum Scheitern verurteilt.

Was hat sich heute geändert? Wie bereits erwähnt, müssen sich Unternehmen immer schneller an veränderte Marktbedingungen anpassen und ihr Geschäftsmodell neu erfinden. Jede Business-Transformation ist auch eine Transformation der Mitarbeitenden. Es ist entscheidend, dass die Mitarbeitenden verstehen, warum das Unternehmen sich verändern muss, und hier spielt Change und Goal Management eine entscheidende Rolle. Es muss klar sein, wohin das Unternehmen will und was die Ziele sind. Gleichzeitig ist auch die Erkenntnis wichtig, dass lebenslanges Lernen und damit einhergehende Veränderungen im Job und den Aufgaben dazugehören. Das setzt allerdings voraus, dass das Unternehmen einen guten Rahmen setzt, in dem sich die Mitarbeitenden weiterentwickeln können, in dem sie Transparenz über die Möglichkeiten haben und wissen, dass es Mentoren und Coaches gibt, ebenso wie Lernangebote oder zeitlich befristete Projekte und Fellowships. Aus diesen Gründen ist es wichtig, die Chance zu ergreifen und mit neuer Technologie diesen Weg zu gehen.

 
Die Rolle der Technologie und künstlichen Intelligenz im Übergang zu einer skillbasierten Organisation

 

Michael Scheffler:

Wie können Unternehmen den Fokus von Jobs auf Skills verlagern? Welche Faktoren sind deiner Meinung nach entscheidend für die Transformation zu einem skillbasierten Unternehmen?

Stephan Koenen:

Aktuell sehen wir, dass Unternehmen oft versuchen, in bestimmten Bereichen einen skillbasierten Ansatz zu verfolgen. Häufig geschieht dies im Bereich Learning, wo die Abteilung "University" eines Unternehmens versucht, das Thema Skills in ihre Praktiken und Prozesse zu integrieren. Oder es geschieht im Bereich Recruiting, wo spezielle Add-ons genutzt werden, um skillbasiertes Hiring umzusetzen. Ich bin jedoch der Meinung, dass es ein ganzheitlicheres Denken und umfassende Lösungen braucht, um eine skillbasierte Organisation Wirklichkeit werden zu lassen.

Zum einen braucht es ein konsistentes Framework. Das bedeutet, wir benötigen einen Ansatz für Skills, der entlang des gesamten Mitarbeiterlebenszyklus konsistent ist. Das erfordert jedoch auch, dass Unternehmen mehr cross-funktional arbeiten und end-to-end denken, dass Recruiting, Onboarding, Talentmanagement und Learning auf Basis eines konsistenten Skill-Frameworks integriert gedacht werden. Dahinter steckt auch die Notwendigkeit einer konsistenten Jobarchitektur. Was wir oft sehen, ist, dass in traditionellen On-Premise-Systemen Tausende von Jobs existieren. Ich habe Kunden gesehen, die bis zu 70.000 Jobs hatten, die sich jedoch nur marginal in Bezug auf einzelne Fähigkeiten und Fertigkeiten unterschieden. Hier brauchen wir das richtige Maß an Granularität bei der Definition von Jobs. Einerseits dienen Jobs weiterhin der Vergütungsstruktur und als Anknüpfungspunkt für das Grading, andererseits muss die Granularität in Bezug auf Skills und Kompetenzen zukünftig passen. Daher ist es wichtig, eine konsistente Jobarchitektur zu haben, um Transparenz im gesamten Unternehmen zu gewährleisten. Dies erfordert wiederum cross-funktionale Zusammenarbeit.

Darüber hinaus brauchen wir klare Prozesse zur Governance. Skill- und Jobarchitekturen sind schnell nicht mehr aktuell, daher brauchen wir Prozesse, um diese ständig zu aktualisieren und an die Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen. Dabei ist es wichtig, unsere internen Kunden, also die Fachbereiche, einzubeziehen und regelmäßig zu hinterfragen, welche Skills und Kompetenzen in den jeweiligen Bereichen konkret benötigt werden. Oftmals handelt es sich dabei um Skills und Kompetenzen, die in keinem globalen Skill-Katalog zu finden sind, sondern sehr unternehmensspezifisch sind. Daher benötigen wir Prozesse, die tief in die Organisation hineinreichen und den Dialog mit den Fachbereichen suchen.

Schließlich benötigen wir integrierte Talent- und Learning-Prozesse, die aus der Perspektive der Talente, der Mitarbeitenden und der Manager:innen gestaltet sind. Darüber hinaus kommt es auf die Technologie an. Wir brauchen eine konsistente Benutzererfahrung, eine einheitliche User Experience. Wenn wir eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen einsetzen, die nicht nahtlos zusammenarbeiten, wird es schwierig, die Mitarbeitenden für ein System zu gewinnen. Daher ist eine konsistente Benutzererfahrung unerlässlich, ebenso wie eine tief integrierte technologische Erfahrung, bei der die verschiedenen Module und Prozesse für Learning, Talent, Recruiting und Onboarding stark miteinander vernetzt sind, sodass eine einheitliche Technologieerfahrung entsteht.

Michael Scheffler:

Technologie ist ein gutes Stichwort. Du hast bereits kurz die Rolle von künstlicher Intelligenz in diesem Zusammenhang angesprochen. Wir haben vorhin über das klassische Skillmanagement gesprochen und festgestellt, dass dieses in der Praxis oft zu starr ist. Eine KI-gestützte Lösung bietet dagegen eine flexible, kontinuierlich aktualisierbare Datenbasis. Das ist doch eine wesentliche Grundlage für den Ansatz der skillbasierten Organisation, oder?

Stephan Koenen:

Absolut. Wenn wir uns das Thema künstliche Intelligenz näher ansehen, ist KI der Überbegriff für Technologien, die Daten verarbeiten, um Entscheidungen zu unterstützen. Wenn wir tiefer in das Thema eintauchen, etwa in den Bereich des Machine Learning, geht es darum, dass Computer mit Daten trainiert werden, um Gemeinsamkeiten und Abhängigkeiten zu erkennen. Dies führt uns zum Bereich des Deep Learning. Deep Learning ist von neuronalen Netzen inspiriert und bildet die Grundlage, um beispielsweise personalisierte Lernempfehlungen für Mitarbeitende zu erstellen oder gezielte Empfehlungen für Karriererollen, interne Positionen, Mentor:innen und Coaches zu geben. Deep Learning ermöglicht es, dass Mitarbeitende genau die Vorschläge erhalten, die ihnen in ihrer aktuellen Rolle weiterhelfen und die Kompetenzen fördern, die sie langfristig entwickeln möchten. Das sorgt nicht nur für Transparenz, sondern fördert auch das Engagement der Mitarbeitenden und ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Entwicklung hin zu einer skillbasierten Organisation.

Darüber hinaus kann KI auch genutzt werden, um Jobprofile und Skill-Frameworks zu erstellen. Hier befinden wir uns im vorgelagerten Prozess, bei dem es darum geht zu bestimmen, welche Skills und Kompetenzen ein Unternehmen in der Zukunft benötigt und welche Jobprofile erforderlich sind. Diese Phase nennt man die Analyse- oder Identifizierungsphase, in der ermittelt wird, was genau im Unternehmen künftig gebraucht wird. Die nächste Phase ist die Operationalisierungsphase, in der Skills und Kompetenzen konsequent entlang des gesamten Mitarbeiterlebenszyklus im Unternehmen genutzt werden.

 
Konkrete Anwendungsbeispiele für skillbasierte Organisationen: Von Strategic Workforce Planning bis AI-unterstütztem Recruiting

 

Michael Scheffler:

Können wir das noch etwas konkreter machen? Hast du vielleicht ein oder zwei konkrete Anwendungsbeispiele für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer?

Stephan Koenen:

Ein Erfolgsfaktor besteht darin, ein konsistentes Skill-Framework in alle relevanten Bereiche zu integrieren, in denen Skills eine Rolle spielen. Das beginnt bereits auf Unternehmensebene beim Thema "Skill-Based Strategic Workforce Planning". Dies ist ein zentrales Handlungsfeld für HR in der Zukunft. Es geht darum, zu planen, welche Mitarbeitenden mit welchen Fähigkeiten und Fertigkeiten wann und wo benötigt werden. Das Thema Skills wird hier sehr wichtig und hilft, die Workforce-Planung auf die nächste Stufe zu heben.

Wenn wir den Mitarbeiterlebenszyklus weiter betrachten, stoßen wir auf das Thema "Skill-Based Hiring". Hier geht es um eine Einstellungspraxis, bei der die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Kandidaten in Bezug auf spezifische Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Vordergrund stehen. Ein Beispiel dafür ist das CV-Parsing und das Skill-Matching des Kandidaten. Der Kandidat lädt seinen Lebenslauf hoch, und dieser wird mit den Job-Postings auf der Karriereseite abgeglichen. Hier kommt die Technologie "Skill Inference" ins Spiel, die hilft, ein Skill-Profil des Kandidaten zu erstellen und ihm gezielt die für ihn relevanten Jobs anzubieten. Für viele Mitarbeitende könnte es überraschend sein, dass sie für Positionen geeignet sind, an die sie zuvor nicht gedacht hatten.

Ein weiterer Anwendungsbereich ist das "AI Assisted Screening" für Recruiter. Hierbei wird der Recruiter bei der Auswahl der am besten geeigneten Kandidaten unterstützt, indem die passenden Skills und Kompetenzen für die jeweilige Jobanforderung vorgeschlagen und Rankings erstellt werden. Dies ermöglicht eine effizientere und bessere Auswahlentscheidung in Zusammenarbeit mit den Managern. Darüber hinaus gibt es personalisierte Lernempfehlungen schon während des Onboardings, sodass neue Mitarbeitende schneller produktiv werden können. Auch im Karrieregespräch, dem kontinuierlichen Leistungsdialog zwischen Mitarbeitenden und Manager auf Basis von Skills, trägt dies zu einer höheren Qualität des Dialogs bei.

Ein entscheidender Faktor ist auch, dass die verschiedenen Elemente einer HCM Suite miteinander verbunden sind. Ein Talentmarktplatz beispielsweise zeigt auf skillbasierte und personalisierte Weise Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf, von Assignments und Fellowships bis hin zu Mentoren, Coaches und Jobrollen, die für die Mitarbeitenden interessant sein könnten, sowie aktuelle interne Jobangebote. Auch im Bereich der Vergütung könnten Entscheidungen zukünftig stärker auf Skills basieren. Die Anwendungsfälle sind nahezu unendlich und es wird in diesem Bereich noch viel passieren.

 
Unterstützung durch SAP SuccessFactors bei der Implementierung einer skillbasierten Organisation

 

Michael Scheffler:

Das sind wirklich sehr interessante Anwendungsbeispiele. Vielleicht können wir das als Übergang zur SAP SuccessFactors nutzen, der cloudbasierten HCM Suite, die Unternehmen dabei unterstützen kann, eine skillbasierte Organisation zu werden. Was lässt sich konkret in SAP SuccessFactors in dieser Hinsicht abbilden?

Stephan Koenen:

In SAP SuccessFactors unterstützen wir Unternehmen dabei, ihren jeweiligen Skill-Ansatz umzusetzen. Wir haben heute gehört, dass es nicht nur den einen, skillbasierten Ansatz gibt, sondern auch andere Ansätze. Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, welchen Weg es gehen möchte, je nach Branche und möglicherweise auch je nach Mitarbeitergruppen im Unternehmen. Wo wir unterstützen, ist unter anderem, indem wir eine konsistente Benutzererfahrung bieten und ein konsistentes Skill-Framework bereitstellen. Hier sprechen wir vom Talent Intelligence Hub als Fundament, also der sogenannten Attribute Library.

Wenn wir dann konkreter weiterdenken, unterstützen wir beispielsweise mit Premium AI die Erstellung einer Skillarchitektur als Startpunkt. Wenn wir nun den Mitarbeiterlebenszyklus betrachten, haben wir im Bereich SAP SuccessFactors Recruiting neue Funktionalitäten eingeführt, wie etwa das "AI Assisted Recruiter Screening". Diese Technologien sind bereits verfügbar, insbesondere auf Basis des CV-Parsings und der Erstellung eines Skill-Profils, das dann mit der Anforderung für den Recruiter abgeglichen wird. Im zweiten Halbjahr dieses Jahres wird auch das Matching auf die Job-Postings ergänzt, was das Ganze weiter vervollständigt.

Zudem haben wir im Bereich SAP SuccessFactors Learning und Opportunity Marketplace Funktionen auf Basis von KI und Skills, die personalisierte Lernempfehlungen und weitere Entwicklungsmöglichkeiten wie Assignments, Mentoren und Coaches anbieten. In Zukunft werden wir weitere KI-Features integrieren, die diesen Prozess noch effektiver und personalisierter für die einzelnen Mitarbeitenden gestalten. Das ist, wie schon erwähnt, ein wichtiger Faktor für das Mitarbeitendenengagement.

Das Thema Skills spielt natürlich auch im Bereich Strategic Workforce Planning eine große Rolle. Es geht darum, wirklich zu verstehen, welche Mitarbeitenden mit welchen Fähigkeiten für die Zukunft benötigt werden. Besonders spannend ist es, dass wir mit einem einheitlichen Datenmodell arbeiten. Das bedeutet, über SAP SuccessFactors erhalten Unternehmen Transparenz über die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Mitarbeitenden und können diese Daten auch an andere SAP-Anwendungen wie S/4HANA weitergeben. Wenn wir auch noch SAP Fieldglass einbinden, sind wir auf einem sehr guten Weg in Richtung Total Workforce Management. Dies bietet Transparenz sowohl über die internen als auch über die externen Mitarbeitenden, um fundierte Entscheidungen zu treffen: Wie muss ich meine Organisation weiterentwickeln? Welche Leute muss ich in der Zukunft rekrutieren, weil ich sie intern nicht habe? Welche Mitarbeitenden kann ich wie weiterentwickeln, um sie für zukünftige Aufgaben vorzubereiten? Oder benötige ich temporär bestimmte externe Mitarbeitende, die spezielle Fähigkeiten mitbringen?

Michael Scheffler:

Danke für diesen umfassenden Überblick. Wir haben jetzt sehr ausführlich über das Thema diskutiert. Kannst du unser Gespräch zum Abschluss noch einmal zusammenfassen? Ist deiner Meinung nach die skillbasierte Organisation alternativlos?

Stephan Koenen:

Rückblickend auf das, was wir besprochen haben, gibt es nicht den einen richtigen Ansatz für jedes Unternehmen. Jedes Unternehmen muss für sich selbst entscheiden, welcher Skillansatz der richtige ist, basierend auf der jeweiligen Branche und den spezifischen Mitarbeitergruppen. Es ist jedoch klar, dass ein skillbasierter Ansatz definitiv notwendig ist, da sich Unternehmen immer schneller ändernden Bedingungen anpassen müssen. Sie müssen sich ständig neu erfinden und genau wissen, welche Skills, Kompetenzen und Jobrollen sie in der Zukunft benötigen. Daher ist es wichtig, eine skillbasierte Organisation zu entwickeln, indem man ein konsistentes Skillframework, eine einheitliche Jobarchitektur und eine starke Governance implementiert, um das gesamte Thema aktuell zu halten.

Ich brauche eine integrierte Sicht auf Talent und Learning, angefangen bei Recruiting und Onboarding bis hin zu Talent- und Lernmanagement. Man muss das gesamte Thema end-to-end aus der Sicht der Zielgruppen im Unternehmen denken, also aus der Perspektive der Talente, der Manager und der Führungskräfte. Wichtig ist auch, dass wir als SuccessFactors eine konsistente Benutzererfahrung und eine tief integrierte technologische Erfahrung bieten, bei der alles nahtlos zusammenarbeitet.

Wenn ich einen Blick auf den Roadmap Explorer werfe, kann ich jedem empfehlen, regelmäßig hineinzuschauen, da wir derzeit eine enorme Dynamik erleben. Wir haben bereits viel geliefert, wie etwa das Thema Recruiting Skills Intelligence. Im vierten Quartal kommt das Thema Matching zu Job Postings. Wir haben auch schon das Thema AI Assisted Skills Architecture Creation geliefert und arbeiten derzeit an weiteren Funktionen, wie etwa AI Assisted Skills Influence, das im dritten Quartal als Zwischenrelease kommt.

Diese Funktion basiert auf Informationen aus dem kontinuierlichen Performance-Dialog und den Performance-Management-Daten, um bestimmte Skills und Kompetenzen abzuleiten und im sogenannten Growth Portfolio vorzuschlagen. Für das vierte Quartal 2024 planen wir AI Assisted Skills Standardization, was sehr wichtig ist, da es eine Normalisierung der Skills ermöglicht. Über eine Skill Inference können wir bestimmte Skills entdecken, die wir dann mit Standardskills in der Industrie abgleichen, um eine Normalisierung zu schaffen und dadurch mehr Transparenz zu erzielen.

Ein weiterer Punkt für das vierte Quartal 2024 ist ein geplanter Inbound API für den SAP SuccessFactors Talent Intelligence Hub, was besonders wichtig ist, da viele Kunden auch Partnerlösungen nutzen. Dies ermöglicht es uns, ein konsistentes Skill-Framework zu implementieren, indem wir Daten von Partnerlösungen in SuccessFactors integrieren. Für 2025 ist geplant, das Growth Portfolio noch granularer zu steuern, indem der Zugriff auf bestimmte Attributstypen für verschiedene Mitarbeitergruppen besser gesteuert wird. Dies ist ebenfalls wichtig, um das gesamte Thema innerhalb der Organisation besser zu verwalten.

Michael Scheffler:

Stefan, vielen Dank für diesen spannenden Ausblick und die interessanten Inhalte. Ich wäre mit meinen Fragen für heute am Ende und würde dir das letzte Wort überlassen.

Stephan Koenen:

Michael, vielen Dank für die Einladung. Es ist mir immer wieder eine Freude, bei p78 dabei zu sein. Wie gesagt, ich bin eng mit euch verbunden und ihr leistet wirklich großartige Arbeit, insbesondere im Bereich SAP SuccessFactors. Ich habe gesehen, dass ihr kürzlich wieder tolle Features im Bereich Recruiting veröffentlicht habt und daher seid ihr wirklich einer der Top-Implementierungspartner da draußen. Ich freue mich schon auf unseren nächsten HR/IT Talk.

Michael Scheffler:

Vielen Dank für die netten Worte. Bis bald, Stefan. Ciao.

Stephan Koenen:

Bis dann, tschüss.

HR IT Talk Podcast-Cover zu Folge 59 mit Stephan Koenen
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