HR/IT Talk Episode #69

KI im HR – Bedrohung oder Befreiung?

Die Diskussion rund um Künstliche Intelligenz polarisiert: Während die einen von disruptivem Potenzial und enormer Effizienzsteigerung sprechen, fürchten andere um ihren Arbeitsplatz – insbesondere im Personalbereich. Doch was ist dran an der Angst, dass KI den Personalern den Job wegnimmt? Und wie können HR-Teams den Wandel aktiv mitgestalten?

In dieser Folge beleuchten Michael Scheffler, p78 Managing Director und Prof. Dr. Andreas Moring, welche Skills HR-Spezialisten brauchen, um im KI-Zeitalter erfolgreich zu sein, wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine im HR-Bereich konkret aussehen kann und welche Kompetenzen Organisationen künftig brauchen, um diesen Wandel aktiv zu gestalten.

Ergänzende Informationen zu dieser Episode:

- Website “The Essence - Artificial Intelligence + Archaic Intelligence”, Prof. Dr. Moring 
- Die Plattform Lernende Systeme (PLS) ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiiertes ExpertInnen-Netzwerk. Ihr Ziel ist es, Deutschland im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) strategisch zu positionieren und den interdisziplinären Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu fördern
- „SAP Business AI für das Personalwesen“, SAP Produktseite
 

Das Interview zum Nachlesen

Michael Scheffler

Die Diskussion rund um künstliche Intelligenz polarisiert. Während die einen von destruktivem Potenzial und enormen Effizienzsteigerungen sprechen, fürchten andere um ihren Arbeitsplatz – insbesondere im Personalbereich. Doch was ist dran an der Angst, dass KI dem Personal den Job wegnimmt? Und wie können HR-Teams den Wandel aktiv mitgestalten?

In dieser Folge von HR IT Talk habe ich Professor Dr. Andreas Moring zu Gast, einen ausgewiesenen Experten für künstliche Intelligenz, digitale Transformation und die Zukunft der Arbeitswelt. Gemeinsam beleuchten wir, welche Skills HR-Spezialistinnen und -Spezialisten brauchen, um im KI-Zeitalter erfolgreich zu sein, wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine im HR-Bereich konkret aussehen kann und welche Kompetenzen Organisationen künftig brauchen, um diesen Wandel aktiv zu gestalten.

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von HR IT Talk. Mein Name ist Michael Scheffler.
Servus Andreas, danke, dass du dir heute Zeit nimmst, um mit mir über künstliche Intelligenz im Personalwesen zu sprechen. Möchtest du dich zu Beginn bitte unseren Hörerinnen und Hörern kurz vorstellen?

 

Andreas Moring

Sehr gerne, Michael. Vielen Dank für die Einladung. Mein Name ist Andreas Moring. Ich habe seit mehr als zehn Jahren eine Professur in Hamburg für den Bereich künstliche Intelligenz. Ich beschäftige mich vor allem mit zwei Schwerpunkten: Zum einen mit KI und Nachhaltigkeit – also wie ich KI nutzen kann, um Nachhaltigkeit zu messen und zu verbessern. Zum anderen mit der Mensch-KI-Kooperation – also der sinnvollen Arbeitsteilung zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz.

Gerade im HR-Bereich spielt das natürlich eine große Rolle. Ich forsche dazu wissenschaftlich, habe aber auch vor einigen Jahren ein eigenes Unternehmen für KI-Entwicklungen gegründet. Wir arbeiten in verschiedenen Branchen – immer dort, wo es um Nachhaltigkeit, Prozesse und vor allem um den KI-Einsatz in Unternehmen geht: in der Personalentwicklung, im Personalcontrolling und im gesamten HR-Umfeld.

 

Michael Scheffler

Vielen Dank – da sind wir auch direkt beim Thema. Lass uns provokant einsteigen: Wird KI deiner Einschätzung nach den klassischen HR-Job in absehbarer Zeit überflüssig machen?

 

Andreas Moring

Wenn wir den klassischen HR-Job als reine Verwaltungstätigkeit betrachten, dann lautet die Antwort: ja. Wenn wir HR aber als zwischenmenschliche, empathische, kommunikative und innovative Tätigkeit verstehen, dann: nein.

Die Antwort ist also zweigeteilt. Alles, was mit Verwaltung zu tun hat – also Freigaben, Genehmigungen, Abrechnungen etc. – wird künftig nicht mehr von Menschen erledigt werden müssen. In anderen Bereichen hingegen brauchen wir Menschen im HR mehr denn je.

Gleichzeitig gilt: Nicht die KI ersetzt den Job, sondern ein Mensch, der besser mit KI umgehen kann als man selbst. Deshalb müssen sich alle – auch im HR – fit machen für KI. Nicht nur, um die Technologie zu kennen, sondern auch, um den eigenen Job zukunftssicher zu machen und ihn sogar besser auszuüben als bisher.

 

Michael Scheffler

Verwaltung mag ohnehin kaum jemand wirklich gern – das ist also eine positive Entwicklung für viele Personalabteilungen. Wo siehst du denn darüber hinaus sinnvolle Einsatzfelder für KI im HR-Bereich, die heute schon möglich sind? Und wo stößt sie aktuell noch an Grenzen?

 

Andreas Moring

Wenn wir uns den HR-Lebenszyklus anschauen, sehen wir schon heute viele praktische Einsatzmöglichkeiten für KI. Besonders viel wird natürlich über das Recruiting gesprochen – völlig zu Recht. Das ist ein Paradebeispiel für KI: Ich muss Daten vergleichen, zuordnen und eine Empfehlung abgeben – also etwa, welche Kandidatin oder welcher Kandidat weiter berücksichtigt werden sollte. Diese Auswahl- und Vergleichsprozesse sind ideal für KI.

Ein weiterer Bereich ist das Onboarding. Der Prozess folgt meist einer standardisierten Struktur, die sich gut automatisieren lässt. Fragen wie: „Wo finde ich das richtige Formular?“, „Wie funktionieren bestimmte Prozesse?“ oder „Wer ist mein Ansprechpartner?“ – das alles kann KI effizient beantworten und Menschen durch den Onboarding-Prozess begleiten.

Im Performance-Management wird KI ebenfalls bereits eingesetzt. Hier stellt sich allerdings immer auch die ethische Frage, wie weit man in Sachen Überwachung und Kontrolle gehen möchte.

Auch im Bereich Employee Engagement – also bei Mitarbeiterbefragungen oder der Kommunikation mit Beschäftigten – kann KI sehr gut unterstützen: Umfragen durchführen, Rückmeldungen clustern, Kommunikation strukturieren – das funktioniert bereits heute.

Ein großes Feld ist natürlich die interne Weiterbildung. Auch hier kann KI die Prozesse personalisieren. Gleiches gilt für Talentmanagement und Nachfolgeplanung – also die Frage: Wer ist geeignet für den nächsten Karriereschritt? Oder: Wie kann ich Teams optimal zusammensetzen?

Allerdings stoßen wir hier an Grenzen. Bei der Teamzusammensetzung oder Karriereplanung geht es nicht nur um Fakten, sondern auch um Emotionen, Menschenkenntnis und ein tiefes Verständnis des Unternehmensumfelds. Und genau da braucht es menschliches Urteilsvermögen.

 

Michael Scheffler

Ein Thema, das ich aus der Beratungspraxis kenne: Im Bereich der Entgeltabrechnung – also Payroll – wird der Fachkräftemangel immer spürbarer. Wie schätzt du das ein? Kann KI hier bald Entlastung bringen?

 

Andreas Moring

Definitiv. Wir sehen das bereits in anderen Bereichen wie Controlling oder Reporting. Auch ohne hoch spezialisierte KI lässt sich da viel mit generativer KI – wie etwa ChatGPT – automatisieren. Dokumentenerkennung, Prozesszuordnung, Abrechnung – das sind alles klar geregelte Prozesse, die sich hervorragend automatisieren lassen.

Das Thema ist in der Praxis schon weit fortgeschritten – wenn man bedenkt, dass KI erst seit zwei bis drei Jahren ernsthaft in Unternehmen implementiert wird. Und wir werden in den nächsten zwei Jahren – nicht erst in fünf oder zehn – massive Fortschritte sehen. Auch deshalb, weil die Arbeit nicht besonders beliebt ist und es schlicht immer weniger qualifizierte Fachkräfte gibt.

 

Michael Scheffler

SAP arbeitet ja in dem Bereich auch intensiv – mit SAP Business AI for HR gibt es bereits einige funktionierende Lösungen. Ich werde dazu ein paar Links in die Shownotes stellen, für alle, die sich weiter informieren möchten.

Andreas, kommen wir zur nächsten Frage: Verändert KI deiner Meinung nach die Rolle von HR – weg vom operativen Umsetzer hin zum strategischen Gestalter?

 

Andreas Moring

Ja, auf jeden Fall. Wir haben das ja eben schon angerissen: Die strategischeren, langfristigen Aufgaben rücken stärker in den Fokus, während kleinteilige Verwaltungstätigkeiten von KI übernommen werden.

Ich wäre trotzdem vorsichtig mit der Vorstellung, HR würde sich nur noch strategisch ausrichten. Strategie ist ja nichts, das man täglich neu denkt – sie muss auch umgesetzt werden. Zudem wird die Arbeit im Tagesgeschäft nicht weniger, sondern verändert sich. Es wird mehr Kommunikation geben – und das ist ja genau das, was sich viele wünschen: mehr Austausch, mehr Gespräche, mehr Raum für zwischenmenschliche Themen.

Das bedeutet für HR: mehr Kompetenzen und Lust an Kommunikation, Diskussion, Zusammenarbeit – also an der Arbeit mit Menschen. Und weniger Fokus auf Verwaltungsaufgaben, Akten und manuelle Statistikauswertungen – das kann die KI besser.

 

Michael Scheffler
Du hast es gerade schon angerissen. Ein Thema, auf das wir noch näher eingehen sollten, ist: Was bedeutet diese Entwicklung aus Sicht der Kompetenzen und des Selbstverständnisses von HR-Mitarbeitenden – vielleicht auch mit Blick auf den SAP-nahen Bereich, wenn du dazu etwas sagen könntest?

 

Andreas Moring
Vom Selbstverständnis her ist es eine Weiterführung dessen, was wir gerade besprochen haben. HR ist weniger Verwaltung, sondern mehr Kommunikation, mehr Austausch mit Menschen. Es geht stärker darum, sich mit Personen und Persönlichkeiten auseinanderzusetzen – jenseits von Daten und Kennzahlen, also Mitarbeitende wirklich als Menschen besser kennenzulernen. Dafür fehlt heute oft die Zeit.

Hier kann KI helfen – im Bereich People Analytics im weitesten Sinne, aber auch im Verständnis von Menschen, Gruppen, Teams. Ebenso beim Einschätzen von Potenzialen, Stärken, Schwächen oder Talenten. Das ist mehr als reine Datenauswertung und erfordert ein ausgeprägtes Dienstleistungsverständnis.

Das gibt es in HR natürlich schon länger, etwa mit dem Konzept der HR-Businesspartner. Aber dieses direkte Zwischenmenschliche wird künftig einen größeren Stellenwert haben – weil durch KI einfach mehr Zeit dafür entsteht. Wenn wir auf Anwendungen wie SAP schauen, sehen wir, dass KI immer mehr Bestandteil der Lösungen wird.

Wir kennen es heute: Wir nutzen ChatGPT, lassen uns Bilder generieren oder verwenden andere KI-Tools. In Zukunft wird KI jedoch selbstverständlich in solchen Lösungen integriert sein – nicht mehr als externes Tool, sondern als integraler Bestandteil.

Das bringt eine neue Kompetenz mit sich: mit einer KI zu interagieren, die nicht mehr so offensichtlich als KI wahrgenommen wird. Wir merken dann gar nicht mehr, dass wir mit einer KI arbeiten, weil sie einfach überall integriert ist. Die Lösungen bieten plötzlich ganz andere Möglichkeiten, zum Beispiel durch Sprachsteuerung, etwa indem ich direkt mit einer SAP-Lösung spreche – und sie führt den Befehl aus. Das verändert das technologische Selbstverständnis grundlegend. Es entsteht ein Bedarf an Weiterbildung, Entdeckung und Ausprobieren.

 

Michael Scheffler
Lass uns zu einem anderen Thema kommen: der sogenannten Human-Machine-Collaboration. Kannst du den Begriff einmal allgemein erläutern?

 

Andreas Moring
Sehr gerne. Den Begriff gibt es schon seit Jahrzehnten. Manche sprechen von Human-Machine-Collaboration, andere von Human-Computer-Collaboration. Bisher war das vor allem eine Designfrage: Wie muss ich eine Maschine oder Nutzeroberfläche gestalten, damit sie für Menschen gut verständlich und intuitiv bedienbar ist?

Das kennen wir etwa von SAP oder dem iPhone – da hat niemand ein Handbuch gelesen, wir haben es einfach intuitiv verstanden. Die Zusammenarbeit mit der Maschine funktioniert über Probieren und Irrtum – weil es simpel gestaltet ist.

Neu ist nun, dass die Maschine – in diesem Fall KI – nicht mehr nur passiv bedient wird. Wir geben nicht nur Befehle oder klicken einen Button, sondern die KI reagiert eigenständig, verarbeitet Informationen, führt Prozesse aus und liefert Ergebnisse zurück. Das ist eine andere Art der Zusammenarbeit. Beide Seiten – Mensch und Maschine – agieren quasi autonom. Das gab es vor dem KI-Zeitalter nicht.

 

Michael Scheffler
Was bedeutet das konkret für HR- und IT-Rollen – insbesondere in Unternehmen, die SAP-Lösungen einsetzen?

 

Andreas Moring
Für HR-Rollen bedeutet es eine doppelte Herausforderung. Auf der einen Seite werden menschliche, kommunikative, empathische Kompetenzen wichtiger denn je. Gleichzeitig muss man aber auch technisch sehr fit sein, um die vielfältigen KI-Möglichkeiten nutzen zu können – sei es als eigenständige Tools oder integriert in fertige Lösungen.

Das ist für mich diese spannende Polarität: einerseits das sehr Menschliche, andererseits das hochtechnische – beides wird gleichzeitig notwendig.

Im IT-Bereich ist diese menschlich-empathische Seite zwar auch relevant, aber weniger stark ausgeprägt als im HR. Hier sehen wir aktuell gewaltige Veränderungen. Und da kommen wir wieder auf das zurück, was wir eingangs besprochen haben: Der Job wird nicht durch KI ersetzt, sondern durch eine Person, die KI besser nutzt.

Gerade in der IT – beim Programmieren, Entwickeln, Codieren – übernimmt KI heute schon extrem viel. Ob mit ChatGPT, Manus AI, Monica, Sider AI – das sind Tools, die Code generieren: JavaScript, JSON, Python und andere Sprachen. Das klassische IT-Management, Entwicklung, Testing – dafür werden in Zukunft deutlich weniger Menschen gebraucht.

Aber: Diejenigen, die weiterhin in der IT arbeiten, müssen doppelt oder dreifach so gut sein wie heute. Sie müssen der KI voraus sein – ihr sagen, was sie tun soll, und den ausgegebenen Code auch beurteilen können. Früher hat ein Team Tage oder Wochen an einem Stück Code gearbeitet. Heute liefert KI innerhalb von Minuten funktionierende Ergebnisse.

 

Michael Scheffler
Man spricht da ja auch von „Vibe Coding“.

 

Andreas Moring
Genau. SAP hat das Thema früh aufgegriffen – mit SAP Build Code gibt es Möglichkeiten, um Code generieren zu lassen. Vor wenigen Jahren noch unvorstellbar. Ich habe es selbst ausprobiert – der Code war lauffähig und hat gemacht, was ich wollte. Sehr spannend.

 

Michael Scheffler
Andreas, was verstehst du unter einer gelungenen Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI im Arbeitsalltag – besonders im HR-Bereich?

 

Andreas Moring
Eine gelungene Zusammenarbeit ist für mich dann gegeben, wenn die KI Assistenz- oder Agentenfunktionen übernimmt. Aktuell ist das ein Trend: Es gibt immer mehr KI-Agenten. Viele sprechen darüber, aber noch wenige setzen sie tatsächlich ein – obwohl es immer einfacher wird, solche Agenten zu bauen.

Die Zusammenarbeit läuft dabei vom Menschen zur KI – und wieder zurück zum Menschen. Ich als Mensch muss mir überlegen: Welche Aufgaben will ich der KI übergeben? Repetitive Aufgaben, standardisierte Prozesse – alles, was mit Erkennen, Zuordnen, Vergleichen, Auswählen zu tun hat.

Ich kann mir dazu eigene KI-Agenten bauen oder bestehende Tools nutzen. Dann übernimmt die KI diese Aufgaben und liefert Ergebnisse, Rückmeldungen, Empfehlungen – mit denen ich weiterarbeite.

Das bedeutet auf der einen Seite eine Entlastung – nicht nur in HR, sondern überall. Auf der anderen Seite aber auch eine Verdichtung der Arbeit. Denn KI arbeitet deutlich schneller als der Mensch. Es kommen viel mehr Ergebnisse in kürzerer Zeit zurück. Das erhöht den Workload.

Zusammengefasst: Die Zusammenarbeit kann reibungslos funktionieren. Aber wir Menschen müssen lernen, besser zu priorisieren – das kann uns die KI nicht abnehmen.

 

Michael Scheffler

Jetzt ist es so, dass in vielen Organisationen Vorbehalte bestehen gegenüber KI-gestützten Entscheidungen. Wie kann denn deiner Meinung nach ein Vertrauen in solche Systeme aufgebaut werden, also wenn jetzt der Personalbereich das in die Organisation hineintragen möchte? Was ist da mehr in den Empfehlungen?

 

Andreas Moring

Da gibt es aus der Erfahrung heraus zwei wichtige Stellschrauben. Und mit Erfahrung meine ich einmal Umfragen, Studien und so weiter, die andere gemacht haben – ich selber teilweise aber auch in den letzten Jahren relativ viele – und auch aus der Praxis der KI-Implementierung. Wie gesagt, ich mache das ja nicht nur wissenschaftlich, sondern auch mit einem eigenen Unternehmen und eben halt auch in Workshops, Projekten und so weiter.

Also, was sind jetzt diese beiden Stellschrauben?

Das eine ist, ein Grundverständnis und eine Grundkompetenz in der Bedienung von KI zu vermitteln. Also wirklich jetzt ganz direkt gesagt, fast banal: Wie schreibe ich gute Prompts für LLMs? Welche Möglichkeiten hat generative KI – nicht nur, um irgendwelche Texte zu entwerfen, sondern auch um Konzeptionen zu erstellen, mir Dinge durchzustrukturieren, große Datenmengen auszuwerten, mir Berichte zu erstellen und so weiter?

Also das ist ja immer so: Wenn wir nicht wissen, wie wir mit einer Technologie umgehen sollen, dann haben wir Angst davor. Und wenn wir erstmal merken, wie einfach es eigentlich ist – weil wir wissen, wie es geht – dann verlieren wir auch die Angst davor. Also: Kompetenzaufbau, und zwar auf einem ganz einfachen Niveau. Nicht riesengroße, wochenlange Schulungen und so weiter, sondern Basics. Einfach Basics beibringen. Damit hat man schon genug zu tun – egal, ob jetzt in einem kleinen, mittleren oder großen Unternehmen. Basics beibringen, damit alle oder möglichst viele wissen, wie einfach es geht. Das nimmt schon sehr viel Angst.

Das Zweite – das hat überhaupt nichts mit Technologie und KI zu tun – ist die Rolle der Führungskräfte. Also eine große Angst von Menschen ist, dass sie in die Situation kommen, dass die KI ihnen etwas vorschreibt oder ihnen etwas empfiehlt, wo sie eigentlich wissen, dass das nicht so ganz richtig ist, weil sie selber andere Erfahrungen haben, die Menschen besser kennen, die Organisation besser kennen und so weiter.

Und dass sie dann quasi Angst davor haben, in der Situation zu sein, dass die KI ihnen etwas sagt oder vorschreibt oder empfiehlt – und sie sich nicht trauen, ihre eigene Meinung zu sagen oder der KI zu widersprechen, in Anführungszeichen.

Und da ist dann die Rolle von Führungskräften extrem wichtig. Also das heißt: Wenn Menschen das Gefühl haben und wissen, im Zweifel steht meine Führungskraft hinter mir und meiner Meinung und meinen Kompetenzen – auch wenn die mal der Empfehlung oder dem Ergebnis der KI widersprechen – dieses Bewusstsein: meine Führungskraft, meine Kollegin, mein Kollege ist auf meiner Seite, sozusagen, und schätzt mich und meine Meinung im Zweifel nicht nur genauso gut, sondern höher als das, was die KI da so statistisch berechnet – das ist der entscheidende Punkt.

Alle sagen – wie gesagt, in Studien und auch in persönlichen Gesprächen und Projekten: Wenn ich das weiß, und wenn das auch gelebt wird und der Fall ist, dann habe ich keine Probleme, mit KI in meinem Arbeitsalltag klarzukommen und mich darauf einzulassen. Aber das muss gegeben sein. Und wie gesagt, das ist keine technische Frage, sondern letztlich eine typische HR-/Personal-/Führungsaufgabe.

 

Michael Scheffler

Du hast jetzt auch schon ein gutes Stichwort genannt: das Thema Kompetenzaufbau. Welche Fähigkeiten braucht es denn aus deiner Sicht, um im Zusammenspiel mit KI erfolgreich und verantwortungsvoll arbeiten zu können? Du hast das Thema Prompt Engineering, sage ich mal – "Prompting" – schon angesprochen. Was siehst du denn noch so dazu?

 

Andreas Moring

Genau. Also einmal das: Wie bediene ich KI bzw. generative KI über gutes Prompting? Und auch, dass ich einfach weiß, welche Möglichkeiten habe ich da und wie geht das? Wie kann ich auch unterschiedliche KI-Tools miteinander verknüpfen?

Das sind Kompetenzen, die absolut notwendig sind. Das kennen wir ja auch aus anderen Zeiten oder Dekaden, wo wir als Menschen – sowohl privat als auch beruflich – gelernt haben: Ganz früher noch, auch vor unseren Zeiten – wie funktioniert eigentlich ein Fax? Oder als die ersten Personalcomputer dann kamen. Oder: Wie geht eigentlich so ein Internet-Browser? Wie steuere ich Webseiten an? Wie streame ich irgendetwas? Wie lade ich mir irgendwas herunter?

Das haben wir ja alles gelernt. Also das an Kompetenzen wird aufgebaut, und das kommt dann auch mit der Zeit – und eben, wie gesagt, jetzt auch schneller als das vielleicht noch bei den anderen Digitalisierungswellen der Fall war.

Und ansonsten sind an Kompetenzen wichtig: vor allen Dingen in Zusammenhängen zu denken und komplexe Systeme zu verstehen – sei es jetzt das komplexe System des eigenen Unternehmens oder das komplexe System des Marktes da draußen und auch meiner Kunden oder meiner Partner. Und das ist etwas, was KI nicht kann.

Da sehe ich auch eine gewisse Herausforderung – also ich rede nicht gerne von Gefahren – aber eine gewisse Herausforderung: Gerade weil uns KI ja so viele Aufgaben abnimmt, und weil es so verlockend ist, zu sagen: "Ach komm, die Konzeption oder die Analyse oder die Präsentation – die lasse ich jetzt mal von KI machen", ist ja viel bequemer und einfacher.

Dass wir da vielleicht verlernen – weil es so bequem ist – unseren eigenen Kopf einzuschalten und selber nachzudenken und auch schwierige und komplexe Zusammenhänge selber zu durchdringen und zu analysieren. Obwohl wir das ja eben genau brauchen, weil die KI das eben im Zweifel nicht so gut kann.

Und das ist eine Kompetenz, die hoffentlich schon bei vielen da ist, die aber in Zukunft noch viel wichtiger wird. Die aber – wie gesagt – da müssen wir uns selber ein bisschen zwingen oder eben müssen auch Führungskräfte oder eben halt auch HR-Kolleginnen und -Kollegen darauf achten, dass wir selber und auch andere Mitarbeitende das nicht aus Bequemlichkeit alles an die KI wegdelegieren.

Sondern: Gerade die Kompetenz, Zusammenhänge zu verstehen, komplexe Dinge miteinander zu verknüpfen, auch mal aus einer anderen Richtung ganz bewusst zu denken, auch mal Dinge bewusst in Frage zu stellen, zu challengen und so weiter – dass das uns Menschen erhalten bleibt und auch weiter ausgebildet und gebildet wird.

 

Michael Scheffler

Wie schätzt du denn den aktuellen Stand beim Thema KI-Kompetenz in deutschen Unternehmen und deutschen Behörden – speziell im HR-Bereich – ein?

 

Andreas Moring

Es wird viel geredet, aber relativ wenig gemacht. Das ist jetzt kein Vorwurf oder so, aber das kennst du ja wahrscheinlich auch – mir geht’s halt auch immer so: Wenn man auf irgendwelchen Konferenzen oder Panels ist, dann ist das natürlich ein Riesenthema, weil KI gerade ein Mega-Buzzword ist. Auch zurecht, weil es ja wirklich alles durchdringt und alles verändert.

Wenn ich dann aber in Unternehmen selber bin und dann mal frage: "Wie ist denn – also wer hat denn jetzt hier mal schon wirklich irgendwie was gemacht? Oder weiß jemand, wie so ein typischer Aufbau für einen guten Prompt ist?" – dann ist da halt nicht so viel. Also wenn da zehn Leute sitzen, dann heben dann vielleicht ein oder zwei die Hand, weil die das dann auch mal so irgendwie ausprobiert haben.

Aber ansonsten ist da der Stand wirklich noch basic. Wie gesagt: Ist ja auch nicht schlimm – irgendwann muss man ja mal anfangen, und man kann ja nicht sofort immer gleich alles wissen. Das war in anderen Bereichen auch genauso. Aber ich würde sagen: Durch den Umfang der Diskussion und dass jeder darüber redet, sind wir immer leicht dazu verleitet zu glauben, dass das alle auch können und machen – aber das ist eben nicht der Fall. Also wir sind da schon noch sehr am Anfang.

Zum Glück gibt es ein paar Vorreiter, Role Models, auch Case Studies, die man sich da angucken kann – das auf alle Fälle. Aber so durch die Bank und im großen Durchschnitt sind wir da noch sehr am Anfang.

 

Michael Scheffler

Ich kann mich erinnern, dass der Deutsche Bundestag Mitte letzten Jahres das Faxgerät offiziell abgeschaltet hat. Und wenn das ähnlich schnell mit der KI-Entwicklung in Deutschland vorangeht, dann haben wir hier ein bisschen was nachzuholen.

 

Andreas Moring

Ja, also bei Unternehmen mache ich mir da nicht so Sorgen. Aber bei der Verwaltung, bei der öffentlichen Verwaltung – das wird, glaube ich, der größte Bremsfaktor sein. Wie gesagt: Nicht, dass die Unternehmen da hinterherhinken, sondern dass gerade in der Zusammenarbeit mit irgendwelchen Behörden oder irgendwelchen anderen Institutionen es da dann hakt – und dann im schlimmsten Fall wieder zurück zum Fax oder zumindest zum PDF geht, was man dann irgendwo einscannt und per Mail verschickt.

 

Michael Scheffler

Wie könnte dann ein gutes Qualifizierungsprogramm für HR-Fachkräfte aussehen, das auf KI vorbereitet?

 

Andreas Moring

Da würde ich auf alle Fälle sagen, geht es in erster Linie darum, gute Use-Cases und Einsatzszenarien für gerade generative KI zu vermitteln – also was ich alles mit ChatGPT und anderen Basismodellen machen kann. Und das ist schon wirklich sehr, sehr viel.

Das haben wir ja besprochen – egal, ob es im Recruiting oder Onboarding ist oder wenn ich mir Agenten baue, die für mich Aufgaben übernehmen. Dafür brauche ich ja keine riesigen KI-Fähigkeiten, sondern ich muss wissen, wie ich diese Tools bediene, wie ich Prompts aufbaue oder mir Projekte in ChatGPT anlege, die dann immer wieder nach dem gleichen Muster ablaufen. In dem Bereich sollte man in erster Linie Wissen vermitteln. Das kriege ich aber relativ gut und schnell hin – über Workshops oder entsprechende Kompaktseminare.

Und dann geht es mit diesem Wissen darum, im eigenen Berufsalltag zu schauen: Wo habe ich Bedarf? Das ist das, was ich bei mir selbst merke und was mir auch alle anderen sagen, wenn ich beispielsweise Workshops mache. Wenn ich einmal verstanden habe, was ich alles mit generativer KI machen kann, dann fallen mir quasi täglich Dinge auf, wo ich denke: "Oh Mensch, dafür könnte ich mir doch jetzt einen eigenen GPT-Agenten bauen, der das für mich macht." Oder ich sehe Aufgaben, die ich regelmäßig mache – immer gleich – und die ich automatisieren kann, indem ich den passenden Prompt entwickle.

Dann probiere ich es aus, und wenn es läuft, dann läuft es. Natürlich muss ich manchmal ein bisschen nachjustieren, weil die KI nicht immer alles sofort perfekt macht. Aber wenn es einmal funktioniert, muss ich in Zukunft bei der gleichen Aufgabe nur noch den gleichen Prompt ausführen – vielleicht mit anderen Dokumenten – und es funktioniert.

Das ist also das Erste, was ich in einem Qualifizierungsprogramm für extrem wichtig halte: Bedienungsskills für generative KI. Und dann ganz konkret im eigenen Arbeitsalltag passende Einsatzszenarien identifizieren – die fliegen einem quasi zu, sobald man verstanden hat, wie mächtig das Ganze ist.

Das Nächste wäre dann der Bereich Datenanalyse, Data Analytics, People Analytics – das ist schon etwas fortgeschrittener. Also: Wie kann ich aus den Daten meiner Organisation – nicht nur HR-Daten, sondern auch Vertriebsdaten, Controllingdaten, Rechnungswesen, Protokolle von Online-Meetings, Team-Meetings etc. – mit Hilfe von KI sinnvolle Analysen machen? Zum Beispiel über Cluster-Analysen, Korrelations-Analysen oder Anomalie-Erkennung.

Dabei geht es nicht nur darum, ein Sprachmodell zu fragen, sondern wirklich die Daten, die ich im Unternehmen habe, zu analysieren und daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Diese kann mir KI besser liefern als klassische HR-IT-Tools.

Das sind die zwei Stufen, die ich für sinnvoll halte: Erst die Grundlagen und Nutzung generativer KI für den Arbeitsalltag. Dann – in einem zweiten Schritt – der komplexere Bereich der Datenanalyse. So ziehe ich richtigen Mehrwert, für mich als HR-Mitarbeiter:in, für die HR-Abteilung und fürs ganze Unternehmen. Denn diese Insights – die sind Gold wert. Da entstehen ganz neue Möglichkeiten.

Aber wie gesagt: Erst die Basics, also generative KI für Arbeitserleichterung im Alltag. Und dann, in einem zweiten Schritt, die datenbasierten Anwendungen mit fortgeschrittener KI.

 

Michael Scheffler

Um zum Ende der heutigen Folge zu kommen: Andreas, was rätst du denn Unternehmen, die ganz am Anfang stehen und das Thema KI-Kompetenz strategisch angehen wollen?

 

Andreas Moring

Mein Rat wäre im Prinzip das, was wir gerade besprochen haben. Sucht euch ein oder zwei generative KI-Tools raus, mit denen ihr arbeiten wollt – z. B. Microsoft Copilot oder ChatGPT, oder ein anderes Tool. Aber wahrscheinlich ist es eines von diesen beiden, weil damit aktuell die meisten Unternehmen arbeiten.

Macht euch in diesem Bereich fit – über konzentrierte, fokussierte Workshops, um euch dieses Basiswissen anzueignen. Und dann nehmt euch einfache Einsatzszenarien vor. Baut euch dafür einen eigenen GPT oder automatisiert das Ganze mit einem guten Prompt, den ihr euch entwickelt.

Baut euch nach und nach einfache eigene Use Cases auf, um erste Erfahrungen zu sammeln. Und lasst euch nicht von jeder neuen KI-Ankündigung aus der Ruhe bringen. Konzentriert euch auf ein Tool, ein Sprachmodell, und arbeitet euch mit kleinen Szenarien Schritt für Schritt vor.

Erweitert es dann mit der Zeit. Das funktioniert fast automatisch – wie Domino-Steine: Wenn man einmal anfängt, ergeben sich daraus neue Einsatzmöglichkeiten. Und das ist für den Anfang, glaube ich, das Beste.

Nicht die große Lösung suchen, um sofort alles zu automatisieren oder einen riesigen KI-Sprung zu machen. Fangt mit einfachen Dingen an, die ihr selbst – durch Eingabe, Einsprechen, Prompts oder Agenten – steuern könnt. Und schaut, wie weit ihr kommt.

Ihr werdet euch wundern, wie viel geht. Das hören wir auch oft von anderen. Heute braucht man keine tiefgehenden Spezialkenntnisse mehr – man muss nur wissen, wie man die Tools bedient, und man muss sein Unternehmen kennen, um die passenden Einsatzszenarien zu finden. Dann kann man sehr viel selbst umsetzen – und ist überrascht, was möglich ist.

 

Michael Scheffler

Andreas, vielen Dank, dass du heute dabei warst – und danke auch an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer.
 

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